2018: 80 Jahre vierte Landessprache

Gastkommentar im Wochenblatt vom 12. Januar 2018

Am 20. Februar 2018 jährt sich zum 80. Mal die eidgenössische Abstimmung über die Revision des Artikels 116 der schweizerischen Bundesverfassung. Rätoromanisch wurde mit 91.6% der Stimmen zur vierten Landessprache erklärt. Der damalige Bundesrat Philipp Etter setzte sich im Vorfeld der Abstimmung so richtig ins Zeug und meinte sogar, dass wir eigentlich nicht von der vierten Landessprache sprechen sollten, Romanisch sei eine von vier.

Wieso wurde der längst fällige solidarische Akt erst 1938 Realität? Das Ganze muss klar aus der Perspektive der „geistigen Landesverteidigung“ gesehen werden. Was den Kanton Tessin und Graubünden anbelangte, kamen Eroberungsgelüste aus dem faschistischen Italien auf. Romanisch sei nichts anderes als ein italienischer Dialekt, hiess es unter anderem. Es existiert eine Bündner Karte aus der damaligen Zeit, welche die Ortschaften schon italienisch bezeichnete. Ein Beispiel: Aus Tiefencastel wurde Castelfondo. Was tun in einer solchen Situation? Die Schweiz rückte zusammen und schloss ihre Reihen. Unser Land hatte einmal mehr auf Grund des Drucks von aussen die Innenpolitik korrigiert.

Das historische Datum des 20. Februars 1938 geht auf eine im Jahre 1934 lancierte Motion im Bündner Grossen Rat zurück. Der Motionär Sep Mudest Nay, Lehrer und Dichter, forderte die Regierung auf, beim Bund in dieser wichtigen Angelegenheit vorstellig zu werden. Das engagierte Votum im Kantonsparlament  wurde 1937 als Schriftstück publiziert, umfasst elf Seiten und hat beim Schreibenden neben der Schweizerischen Bundesverfassung seinen verdienten Platz im Bücherregal. Ein wichtige Aussage lautet:„Il combat dils Retoromontschs ei in combat pacific, buc in tal dalla spada, e nossas aspiraziuns stattan els tiarms della raschuneivladad – Der Kampf der Rätoromanen ist ein friedlicher, nicht einer des Schwerts, und unsere Intentionen bleiben innerhalb der Grenzen der Vernunft“.

Kurz vor Jahresende habe ich mit Freude die positive Antwort der Baselbieter Regierung auf meine Interpellation „Projektwoche zur Sensibilisierung für die vierte Landessprache“ zur Kenntnis genommen. Diese sieht vor, dass noch im laufenden Schuljahr oder im nächsten für die sechste Klasse oder erste Oberstufe die Annäherung an die vierte Landessprache in Form von Projekttagen oder einer Projektwoche realisiert werden kann. Der Vorstoss basiert auf der Idee, dass ein Schweizer Volksschüler mindestens ein Mal in seiner Schulkarriere sich mit der vierten Landessprache auseinander setzt. Die Lia Rumantscha, der rätoromanische Dachverband, begrüsst das Vorhaben und hat sofort Hand geboten, entsprechendes Lehrmaterial zu liefern und für den auch vorgesehenen Crash-Kurs personell beizustehen. Es bleibt zu hoffen, dass einige Baselbieter Schulen vom Angebot Gebrauch machen werden. So nach dem Motto „Ein Kanton muss mal beginnen und es dürften dann andere folgen“.

Ansprechpartner:innen zu diesem Thema

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Animation laden...Animation laden...Animation laden...

Newsfeed