Mann und Frau sind noch immer nicht gleichgestellt

Gastkommentar in der bz vom 29.9.2015

Die Fachstelle für Gleichstellung muss erhalten bleiben.

In den letzten Wochen und Monaten war in verschiedenen Medien oftmals das Familiensystem und generell das Verständnis des Familienbegriffs und somit auch das Rollenverständnis in unserer Gesellschaft ein Thema. Verschiedene Fragen wurden aufgeworfen: Sind die Kosten für die Familienergänzende Betreuung bei uns zu hoch und braucht es diese Betreuung überhaupt im angestrebten Masse? Ist es nicht ohnehin besser wenn sich eine Mutter vollumfänglich der Kindererziehung widmet und auf ihren Job verzichtet? Braucht es den Vaterschaftsurlaub von drei Wochen, reichen nicht einige Tage?

All diesen medial aufgeworfenen und grösstenteils nur einseitig beantworten Fragen liegt ein übergeordnetes Thema zugrunde. Sie sind Nebenschauplätze in Bezug auf die Kernproblematik, die Gleichstellung von Mann und Frau in der heutigen Gesellschaft. Die Fragen und vor allem die Antworten welche darauf gegeben wurden suggerieren die alleinige Richtigkeit des traditionellen Familienbildes. In die aktuellen Diskussionen passt es daher gut, dass verschiedene Personen aus der Baselbieter Politlandschaft die Abschaffung der Fachstelle für Gleichstellung im Kanton Baselland fordern. Gegen solch eine Forderung wehre ich mich entschieden. Es kann nicht sein, dass eine solch wichtige Errungenschaft dem Rotstift zum Opfer fallen soll. Dies lediglich deshalb, weil einige nationalkonservative Politiker Sparfetischisten die Sparmassnahmen zum Anlass nehmen wollen, eine ohnehin unbeliebte Institution loswerden wollen weil sie nicht das gängigen Familienbild unterstützt.

Alle die anfangs erwähnten Fragen haben im Kern ein viel grösseres und komplexeres Problem. Nämlich die Tatsache, dass wir auch in der heutigen Zeit noch sehr weit davon entfernt sind, in einer Gesellschaft zu leben, in welcher das lange Zeit in den Köpfen der Menschen festgesetzte Rollenverständnis überwunden werden kann. Die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung klaffen weit auseinander. Beispiel Lohngleichheit: Um auf den gleichen Jahreslohn wie Männer zu kommen, müssen Frauen drei Monate länger arbeiten. Somit ist auch klar, wer weiter arbeiten geht, wenn sich die Frage stellt, welcher Elternteil zuhause bei den Kindern bleibt. Der Mann muss aus finanziellen Gründen weiterarbeiten und die Frau sich um die Kinder kümmern.

Die Aufteilung von Familien- und Erwerbstätigkeit sollte aber gänzlich unabhängig von der aufgrund des Geschlechts unterschiedlichen Lohnzahlung ausgehandelt werden können. Es ist auch hinlänglich bekannt, dass familienfreundliche Massnahmen den Unternehmen einen Return of Investment von rund 8% bieten. Dies lediglich eines von unzähligen möglichen Beispielen für die eben nach wie vor nicht gelebte Gleichstellung.

Diskriminierung darf in der heutigen Zeit kein Thema mehr sein. Alle Mitglieder unserer Gesellschaft sollen unabhängig von ihrer sozialen und wirtschaftlichen Herkunft und eben auch unabhängig von ihrem Geschlecht ihr volles Potential ausschöpfen können. Es wird noch einige Zeit dauern bis diese Gleichstellung mit all ihren Facetten auch in der Realität gelebt wird. Umso entscheidender ist es, dass die Wichtigkeit des Themas erkannt wird und so das Bestehen der Fachstelle für Gleichstellung im Kanton Baselland gesichert werden kann.

Miriam Locher, Landrätin und Nationalratskandidatin

Ansprechpartner:innen zu diesem Thema

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Animation laden...Animation laden...Animation laden...

Newsfeed