Es geht auch um die direkte Demokratie

Einspruch in der BaZ vom 22. Januar 2018

Wer sich eine Meinung zur No Billag-Initiative bilden möchte, ist gut beraten, genau hinzuschauen, wie diese die Verfassung ändern will.

Heute wird in Artikel 93 Absatz 2 der Bundesverfassung statuiert, dass „Radio und Fernsehen (…) zur Bildung und kulturellen Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur Unterhaltung bei[tragen]. (…) Sie stellen die Ereignisse sachgerecht dar und bringen die Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck.“ Diese Zielvorgaben und der Leistungsauftrag sollen gestrichen werden, wenn es nach der No Billag-Initiative geht.

Diesem Aspekt der Volksinitiative wurde in der öffentlichen Debatte bislang viel zu wenig Bedeutung beigemessen. Gerade die Schweiz ist mit ihrer direkten Demokratie auf einen unabhängigen und umfassenden Service Public im Medienbereich angewiesen, denn er bildet eine essenzielle Informationsquelle für die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. Wird nun Artikel 93 Absatz 2 aus der Bundesverfassung gestrichen, würde die bisherige verfassungsrechtliche Pflicht des Staates entfallen, geeignete Rahmenbedingungen zum Erreichen der genannten Ziele zu schaffen und die Finanzierung der Leistungen zu sichern. Die Steuerung der Radio- und Fernsehlandschaft würde ausschliesslich den Marktkräften überlassen.

Dies ist insofern von Belang, als ein nur über den Markt gesteuertes Rundfunksystem den für einen offenen und vielfältigen gesellschaftlichen Diskurs erforderlichen Meinungspluralismus nicht sicherstellen kann. Dieser Meinung sind nicht nur prominente Verfassungsrechtler. Vielmehr hat auch das Bundesgericht klargestellt, dass das in einer Demokratie zentrale Anliegen einer unverfälschten Meinungs- und Willensbildung mit einem reinen Wettbewerbssystem wegen der dabei im Vordergrund stehenden wirtschaftlichen Interessen nicht gewährleistet werden kann. Oder um es ganz konkret zu machen: Bei einem Ja zu No Billag nähme die Abhängigkeit der Medien von privaten Geldgebern und ausländischen Konzernen zu. Damit stiege auch die Gefahr der politischen Einflussnahme.

Sollte die No Billag-Initiative angenommen werden, könnte man als Medienkonsument künftig somit auf keine Anbieter mehr zurückgreifen, die von Verfassungs wegen verpflichtet sind, die Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck zu bringen. Das liegt nicht an den Journalistinnen und Journalisten, sondern an den Investorinnen und Investoren, die hinter den privaten Medienhäusern her sind, um politisch an Einfluss zu gewinnen. Dass darüber hinaus durch die Aufhebung von Art. 93 Abs. 5 BV auch der Anspruch entfällt, Programmbeschwerde bei einer unabhängigen Beschwerdeinstanz erheben zu können, kommt erschwerend hinzu. Auch dieser Aspekt ist verfassungsrechtlich höchst problematisch.

Mit der No Billag-Initiative wird die direkte Demokratie damit gleich in mehrfacher Hinsicht erheblich geschwächt. Im schlimmsten Fall winken hierzulande Zustände wie in den USA oder in Italien – Stichwort „Trumpisierung“ oder „Berlusconisierung“ der Medien. Dies möchte ich uns allen ersparen. Ich sage am 4. März 2018 darum klar Nein zu No Billag.

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