Gleichstellung – jetzt erst recht

Das Abstimmungsresultat über die Erhöhung des AHV-Rentenalters für Frauen ist beim Schreiben dieser Zeilen sehr präsent. Mich persönlich schmerzt dieser knappe Entscheid. Aber wie immer gilt es, ein demokratisches Resultat zu akzeptieren.

Was mich bei verschiedenen Diskussionen und Argumentationen der Befürworterinnen und Befürworter jeweils irritiert hat, war die Begründung der Erhöhung des Rentenalters mit der Gleichstellung. Dass Männer und Frauen jetzt doch gleichgestellt werden sollen und eben auch gleich lang arbeiten sollen. Ein Aussage, die mich sehr ironisch dünkt, sind doch die Voraussetzungen für Frauen und Männer nun mal einfach nicht gleich. Wenn wir effektive Gleichstellung hätten, dann wäre auch ich ganz sicher nicht gegen eine Angleichung des Rentenalters gewesen. Aber die immer noch bestehende Lohnungleichheit kann leider auch im Jahr 2022 nicht wegdiskutiert werden. Traurig, aber wahr.

Tiefe Löhne oder unbefriedigende Arbeitsbedingungen in typischen Frauenberufen – wie im Verkauf oder in der Pflege – sind ein Beispiel dieser Ungleichbehandlung. Des Weiteren ist es nach wie vor gang und gäbe, dass Frauen Teilzeit arbeiten und dadurch weniger Karrierechancen haben, da sie sich um die Betreuung ihrer Kinder kümmern. Dies wirkt sich auf die Höhe des Lohnes und somit auf die Altersvorsorge aus. Ganz viele Frauen haben gar keine Möglichkeit, überhaupt in eine Pensionskasse einzuzahlen, weil sie zu wenig verdienen. Wenn jemand Teilzeit arbeitet, kann sie oder er nur tiefe Beiträge einzahlen und kann somit weniger fürs Alter sparen. Eine Reform der Pensionskassen ist dringend nötig. Der Koordinationsabzug gehört abgeschafft, so dass zukünftig auch wenig Verdienende einzahlen können und kein Jahreshöchstlohn mehr nötig ist, um in die 2. Säule einzahlen zu können.

Die Sicherstellung einer guten und bezahlbaren familienergänzenden Kinderbetreuung ist ebenfalls etwas, das wir in der Schweiz endlich und beherzt angehen müssen. Es ist sehr wichtig, dass Mütter und Väter die Möglichkeit haben, arbeiten zu gehen. Wenn die Kinder während der Arbeitszeit der Eltern gut aufgehoben und betreut werden, so ist das ein Gewinn für alle. In der Schweiz hinken wir mit dem Angebot immer noch hintendrein. Viel Betreuungsarbeit wird innerhalb der Familie, vor allem durch Grossmütter und -väter, geleistet. Das ist sicher bereichernd sowohl für die Grosseltern wie auch für die Kinder, kann aber belastend sein. Und nicht alle Familien haben das Glück, dass Verwandte, die Betreuungsarbeit leisten wollen, in der Nähe wohnen.

Zum Schluss noch ein anderer Gedanke zur Erhöhung des Rentenalters für Frauen: in meinem persönlichen Umfeld stelle ich fest, dass viele Personen sich frühzeitig pensionieren lassen. Wenn es finanziell möglich ist. Ausserdem ist ein Jobwechsel nach 60ig so gut wie unmöglich. Das heutige Resultat spiegelt diesen Trend nicht wider. Also bleibt uns in der Politik Tätigen die Aufgabe, die Rahmenbedingungen für alle Arbeitnehmenden zu verbessern.

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