Unseriöse Last-Minute-Politik

Für die letzte Landratssitzung waren eigentlich wenig spektakuläre Geschäfte traktandiert. Neben der Kenntnisnahme von einigen Berichten ging es im Wesentlichen um die Behandlung von Postulaten und Motionen, mit welchen die Landrätinnen und Landräte Inputs für die Baselbieter Politik geben können.

Mit einer Motion hatte Felix Keller von der Mitte-Fraktion den Landrat im März 2017 davon überzeugen können, dass der Regierungsrat einen Gesetzesvorschlag ausarbeiten muss, damit in Zukunft die Gemeinden den Bedarf an Parkplätzen selber regeln können. Es hat dann bis im Januar 2022 gedauert, bis der Regierungsrat einen entsprechenden Vorschlag dem Landrat zur Behandlung vorgelegt hat.

Die zuständige Bau- und Planungskommission hat an drei Sitzungen im Februar und März 2022 den Vorschlag des Regierungsrates diskutiert und noch kleinere Änderungen vorgenommen. Im geänderten § 106 des Raumplanungs- und Baugesetzes wird weiterhin der Regierungsrat beauftragt, die Minimalzahl der Parkplätze festzulegen, welche bei jedem Baugesuch eingehalten werden muss. Neu können nun aber die Gemeinden in einem Reglement bestimmen, wie viele Parkplätze realisiert werden müssen. Dies macht Sinn, da die Bedürfnisse nach Parkplätzen in Gemeinden unterschiedlich sein können. Gute ÖV-Anschlüsse führen beispielsweise zu einem geringeren Parkplatzbedarf.

Am 5. Mai 2022 war der Vorschlag gemäss Kommission dann im Landrat für die sogenannte erste Lesung traktandiert. Als Kommissionspräsident durfte ich das Geschäft im Landrat vorstellen. Die kurze erste Lesung wurde ohne Wortmeldung abgeschlossen.

Wie üblich war an der darauffolgenden nächsten Landratssitzung die zweite Lesung traktandiert. Aufgrund der geringen Diskussionen in der Kommission und dem Stillschweigen bei der ersten Lesung wurde am letzten Donnerstag erwartet, dass auch die zweite Lesung ohne Wortmeldung über die Bühne gehen und die Gesetzesänderung beschlossen wird. Am frühen Morgen vor der Sitzung wurde dann bekannt, dass mit einem Antrag in letzter Minute, die Gesetzesanpassung noch verschärft werden soll. Ein Mitglied der vorberatenden Bau- und Planungskommission hat drei Kommissionssitzungen und die erste Lesung im Landrat verstreichen lassen, um im allerletzten Moment zu fordern, dass es für den Beschluss der Parkplatz-Reglemente zwingend eine Urnenabstimmung in den Gemeinden braucht. Gemäss kurzfristigen juristischen Abklärungen war es nicht sicher, ob dieser Antrag überhaupt mit dem Gemeindegesetz vereinbar ist. Es wurde im Landrat die Befürchtung geäussert, dass damit die Gemeindeversammlung entmachtet und die Beteiligung weiter sinken würde. Der Antrag wurde dann auch mit 66 Nein-Stimmen sehr deutlich abgelehnt. Für mich ist es nicht verständlich, dass ganz neue Anträge erst im allerletzten Moment gestellt werden und so eine seriöse Prüfung und breite Diskussion verunmöglichen. Trotz diesem Störmanöver in letzter Minute wurde die Gesetzesänderung vom Landrat mit 71 Ja-Stimmen beschlossen. Ich bin gespannt, in welcher Gemeinde das erste eigene Parkplatz-Reglement beschlossen wird.

«Land-Rot» us erschter Hand, ein ObZ-Beitrag vom 09.06.2022

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