Dene, wo’s guet geit

«Dene, wo’s guet geit» ist ein in die Jahre gekommenes Lied von Mani Matter mit fortbestehender Relevanz, ein genial einfacher Text voller Weisheit.

Armut ist in unserer Gesellschaft kaum sichtbar. Armutsbetroffene haben keine Lobby und darüber zu sprechen oder zu schreiben bringt wenig Lorbeeren. Dennoch hat das SP-Postulat von Regula Meschberger zur Erarbeitung einer Strategie gegen  Armut aus dem Jahr 2016 Unterstützerinnen und Unterstützer aus allen Landratsfraktionen gefunden.

Es ist bekannt, dass Menschen, die in sogenannt tiefere sozialen Schichten –  ja, die gibt es auch bei uns, nicht nur in Indien – hineingeboren werden, schlechtere Karten für späteren Wohlstand haben. Gerade in Corona-Zeiten wird uns jedoch bewusst, dass es jeden und jede treffen kann: Ein Arbeitsplatzverlust, eine Scheidung oder auch eine schwere Erkrankung können alleine oder in Kombination dazu führen, dass wir plötzlich vor dem „Scherbenhaufen“ unserer Existenz stehen.

Die FHNW hat gemäss Auftrag des Regierungsrates Baselland gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus öffentlichen und privaten Institutionen, welche sich mit Armut beschäftigen, sowie Politikerinnen und Politikern aus Gemeinden und Kanton die Grundlagen für eine Armutsstrategie entworfen. Der Bericht erklärt die Definitionen von Armut, Konzepte, Ursachen und Bewältigung. Zusätzlich ist der Armutsbericht aktualisiert worden. Auffallend ist die Zunahme der Armut im Kanton Baselland von 6 auf 8.9% seit 2014. Würde keine staatliche oder private Unterstützung (sogenannte Sozialtransfers) existieren, wären sage und schreibe 29% der Bevölkerung der Nordwestschweiz von Armut bedroht. Von einer Minderheit kann kaum mehr gesprochen werden. Erschreckend ist der Anstieg der Verschuldung der Bevölkerung in der Region Basel auf 17%.

Die Strategie zur Bekämpfung von Armut basiert auf 5 Handlungsfeldern.

  • Bildungschance: Bildung beginnt bei der Frühförderung und endet bei der Senioren-Uni. Wichtig ist neben der Sicherstellung des Schulerfolges insbesondere die Erwachsenenbildung. Hierfür muss die Kinderbetreuung gewährleistet sein. Denn auch Migrantinnen muss ermöglicht werden, diese Angebote wahrzunehmen. Die Frühförderung soll die Weichen so stellen, dass alle ähnliche Voraussetzungen erhalten.
  • Erwerbsintegration: Arbeit ist in unserer schweizerischen Gesellschaftsnorm sehr wichtig. Der Arbeitszugang soll allen Erwachsenen ermöglicht werden; auch Asylsuchende sollen dafür entschädigt werden. Es braucht zudem vermehrt Arbeitsplätze für Menschen mit besonderen Bedürfnissen.
  • Wohnversorgung: Boden ist ein Grundbedürfnis wie Nahrung und Luft zum Atmen. Es ist essentiell, dass genügend günstiger, gemeinnütziger Wohnraum zur Verfügung steht. So kann die Selbständigkeit und Unabhängigkeit vieler Menschen erhalten und damit verhindert werden, dass sie in Armut geraten. Eine kantonale Regelung müsste den aktuellen Wettkampf der Gemeinden, nur teuren Wohnraum zu bauen, um möglichst wenig von Armut Bedrohte anzuziehen, unterbinden.
  • Alltagsbewältigung: Mobilität ist für Sozialhilfebeziehende wichtig bei der Stellensuche, aber auch, um weiterhin an der Gesellschaft teilnehmen zu können. Heute verarmen leider rasch auch die sozialen Kontakte, so dass Betroffene immer mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Ideal wären niederschwellige Angebote, wo sich gerade Armutsbetroffene verwirklichen können, wo sie Gestaltungsräume erhalten und Begegnungsräume als Treffpunkt für alle entstehen. Ein Beispiel dafür sind Internetcafés, die Zugang und digitale Bildung ermöglichen, um unter anderem besser mit Ämtern kommunizieren zu können. Aber auch Kultur- und Restaurationsbetriebe kämen in Frage.
  • Soziale Existenzsicherung: Sie sollte vor der Sozialhilfe beginnen. Der Schuldenberatung muss in Zukunft mehr Gewicht verliehen werden. Auch Ergänzungsleistungen sind ein erprobtes Mittel, um weitgehend unabhängig bleiben zu können. Dem Ausbau und der Vereinheitlichung der Mietzinsbeiträge im ganzen Kanton kommt ebenfalls grosse Bedeutung zu. Die zwei wichtigsten Gründe für Verschuldung sind die Krankenkassenprämien und die Steuern. Ein Ansatz für die Prämienverbilligung, der gerade bei unteren Einkommen mehr Entlastung bietet, wir immer dringender.

Für die Umsetzung braucht es eine Koordinationsstelle, sie kann eine kohärente Armutspolitik sicherstellen und die Vernetzung auch zukünftig gewährleisten. Weiter ist eine Kommission für Armutsfragen, welche alle wichtigen Akteurinnen und Akteure aus Gemeinden und Kanton, privaten Organisationen und vor allem auch Betroffene an einem Tisch vereinigt, essentiell. Deren Aufgabe wird es sein, die Rahmenbedingungen zu begleiten und zu lenken. Ein Leitfaden zur Unterstützung der Gemeinden muss erarbeitet werden. Der Regierungsrat stellt sich selbst zur Aufgabe, in den nächsten knapp 2 Jahren 46 Massnahmen zur Bekämpfung der Armut zu evaluieren.

Investition in die Bekämpfung von Armut lohnt sich, weil damit die Selbständigkeit und der Selbstwert der Menschen gestärkt, der Zusammenhalt der Gesellschaft gefördert, die psychische und physische Gesundheit von Betroffenen unterstützt und schliesslich auch Geld gespart wird. Trotzdem werden immer wieder Menschen durch alle Maschen fallen. Auch diese benötigen den Respekt der Politik und der Gesellschaft.

Denn „Dene, wo’s guet geit, gieng‘s besser, gieng’s dene besser, wo‘s weniger guet geit. Was aber nit geit, ohni dass’s dene weniger guet geit, wo’s guet geit…“.

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