Die Durchsetzungsinitiative ist anmassend und undemokratisch

Carte blanche in der Volksstimme vom 12.01.2016

Mit der Durchsetzungsinitiative der SVP kommt am 28. Februar eine ganz spezielle Vorlage zur Abstimmung. Nach der Annahme der Ausschaffungsinitiative durch im November 2010 wurde in einem schwierigen Prozess eine Umsetzungsvorlage erarbeitet, welche im März 2015 von den beiden eidgenössischen Räten verabschiedet worden ist. Die Referendumsfrist lief Anfangs Juli letzten Jahres ungenutzt aus. Schon Ende 2012 reichte die SVP die Durchsetzungsinitiative ein, weil sie mit dem Gang der Gesetzgebung nicht einverstanden war. Mit der neuen Initiative wird nun ein Gesetzestext direkt in die Verfassung geschrieben, was absolut neu ist.

Bisher wurden nur allgemeine Grundsätze in der Verfassung festgeschrieben, alle weiteren Details wurden in Ausführungsgesetzen geregelt. Ein typisches Beispiel war die angenommene Zweitwohnungsinitiative, welche im Grundsatz die Fläche für Zweitwohnungen in einer Gemeinde beschränkt. Alle Details, Ausnahmen und der genaue Vollzug werden gesetzlich geregelt.

Ich möchte im folgenden nicht inhaltlich zur Durchsetzungsinitiative Stellung nehmen, sondern ihre demokratiefeindliche Haltung aufzeigen und kritisieren. Weil diese Initiative keine gesetzlichen Bestimmungen mehr braucht – sie sind ja auf Verfassungsstufe geregelt – wird das Parlament vom Gesetzgebungsprozess ausgeschlossen und als Gesetzgeber ausgeschaltet, was unserer Demokratie radikal widerspricht, da das Volk, das Parlament, die Regierung und die Gerichte ihre klar zugewiesenen Aufgaben haben! Die Ausschaffungsinitiative verunmöglicht aber auch eine gerichtliche Überprüfung einer Massnahme, da ja kein Gesetz vorliegt. Dies ist eines Rechtsstaates unwürdig. Wenn ich ein Delikt begangen habe (z. B. eine Missachtung von Verkehrsregeln, welche zu einem Unfall führen), habe ich das Recht, dass ein Gericht meinen Fall überprüft, meine Entlastungsargumente anhört und die Strafmassnahme in Berücksichtigung aller Argumente festlegt. Die Schweizerische Bundesverfassung gibt mir auch das Recht, einen Entscheid an ein übergeordnetes Gericht weiterzuziehen, in besonderen Fällen bis vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof. Dies schützt uns Bürger vor der Willkür. Mit der Durchsetzungsinitiative haben die Gerichte keinerlei Spielraum mehr, und ein Urteil kann nicht mehr weitergezogen werden, was meiner Meinung nach rechtsstaatlich höchst fragwürdig ist. Wir müssen zu unseren Grundrechten Sorge tragen. Wenn wir diese einmal angeritzt haben, ist es ein kleiner Schritt für einen weiteren Abbau.

Die gesetzliche Umsetzung von Initiativen gibt immer wieder zu Diskussionen Anlass. Die wenigsten Initiativen können und werden wortwörtlich umgesetzt, denken wir nur an die oben erwähnte Zweitwohnungsinitiative oder die Alpenschutzinitiative. Gerade diese wird mit der Vorlage zum Bau der zweiten Gotthardröhre stark strapaziert. In beiden erwähnten Initiativen hat sich die SVP erfolgreich gegen eine enge Auslegung in der entsprechenden Gesetzgebung gewehrt. Wenn sie jetzt bei ihrer eigenen Ausschaffungsinitiative eine wortwörtliche Umzusetzen verlangt, ist dass schlicht anmassend und undemokratisch.

Als Demokrat kann und will ich der vorliegenden SVP-Initive unter keinen Umständen zustimmen. 

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Animation laden...Animation laden...Animation laden...

Newsfeed