Die Zeit vorher und die Zeit nachher

Carte Blanche in der Volksstimme vom 29. Mai 2020

Mein Mann hat mich zwar gebeten, nicht über Corona zu schreiben – wie ich aber nach viertelstündigem Überlegen feststelle, ist dies nicht möglich. Im Gegenteil. Je länger ich über mögliche Themen nachdenke, desto mehr wird mir bewusst, wie gross der Einfluss der momentanen Lebensumstände auf unseren Alltag ist. Ich bin sicher, dass es eine Zeit «vor» Corona und eine «nach» Corona geben wird.

Kennen Sie das auch? Gewisse Ereignisse hinterlassen einen so starken Eindruck, dass sich fast jede und jeder von uns erinnert, wo sie oder er zum Zeitpunkt dieses Ereignisses war. Nehmen wir den 11. September 2001 – der Tag, an welchem die USA durch bisher unvorstellbare Terroranschläge getroffen wurden. Ich kann mich ganz genau erinnern, wo ich war und wie ich mich gefühlt habe, als die Nachrichten und die Bilder dazu unsere Radio- und Fernsehsender beherrschten. Geht es Ihnen auch so? Nun, ich denke, dass es auch eine «vor und nach Corona-Zeitmessung» geben wird.

In der Politik beherrschen die Massnahmen das Tagesgeschehen. Zuerst die Massnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus, nun die Massnahmen zur bestmöglichen Eindämmung der finanziellen Verluste.

Auch im Landrat hatten wir über verschiedenen Vorlagen zu beraten, in den Zeitungen wurde darüber berichtet. Der Kanton Basel-Landschaft hat sehr schnell finanzielle Mittel zur Linderung der grossen Verluste zur Verfügung gestellt. Die Beschlüsse der letzten Sitzung vom 14. Mai gingen dann einigen Landrätinnen und Landräten zu weit: es sei ja leicht, das Geld der anderen auszugeben, wurde moniert. Aber das Geld des Staates ist ja nicht das Geld «der anderen», sondern Geld, das wir alle dem Staat in Form von Steuern zahlen. Ausserdem bin ich der Meinung, dass der Staat unbedingt eingreifen muss, da ja auch die Anordnungen zu den Geschäftsschliessungen vom Staat respektive vom Bund erfolgt sind.

Für viele Leute bedeuten die Einbussen und die Unsicherheit der vergangenen 10 Wochen Existenzängste und Kampf um ein kleines bisschen Normalität. Die Seniorinnen und Senioren in den Alters- und Pflegeheimen waren praktisch isoliert, viele Menschen waren sehr einsam. Die Arbeitnehmenden im Verkauf und in der Pflege leisteten Enormes. Familien stehen und standen unter Druck, das Zusammenleben auf engem Raum kann schwierig sein. Die Nachwehen des Lockdowns werden wir noch lange zu spüren haben. Es ist sehr wichtig, dass unsere Sozialwerke bereit sind, Menschen zu unterstützen und aufzufangen, die unter den Folgen der Corona-Massnahmen leiden.

Dies lässt mich auf die Revision des Sozialhilfegesetzes kommen. Die Überarbeitung dieses Gesetzes zielt von mir aus gesehen eindeutig in die falsche Richtung. Die Diskussionen im Landrat dazu werden schwierig werden. Die Revision finde ich nicht gut. Für mich ist es wichtig, dass wir uns für den Schutz der Betroffenen einsetzen. Wie schnell jemand auch unverschuldet in finanzielle Not geraten kann, führt uns die aktuelle Situation vor Augen.

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