Erste Woche: Ständerat verweigert die Lohngleichheit konkret
1. Das Angebot an Gentests hat stark zugenommen. Um Missbrauchen vorzubeugen, wird das Gesetz zur genetischen Untersuchung beim Menschen revidiert. Umstritten war die Frage, ob Lebensversicherungen einen Zugang zu den Gentests ihrer Kunden haben sollen. Anders als die Kommission hat der Nationalrat entschieden, dass die Lebensversicherungen keinen Zugang haben sollen. Gentests bleiben nun Privatsache. Heute haben Lebensversicherer dann Zugang zu medizinischen Abklärungen wie u.a. mittels EKG, wenn die Versicherungssumme über Fr. 400’000 liegt oder bei einer privaten Invaliditätsleistung von mehr als Fr. 40’000 im Jahr. Der Zugang wird nun richtigerweise nicht weiter ausgedehnt.
2. Das Via-Sicura-Gesetz soll bereits wieder geändert werden. Der Ständerat will mit einer Motion die strengen Strafen der jüngst eingeführten Anti-Raser-Bestimmungen (konkret heisst das 70 km in Tempo-30-Zone, 100 km innerorts, 140 km ausserorts und 200 km auf der Autobahn) lockern: Neu soll es bei Fahrlässigkeitsdelikten für die Gerichte einen Ermessensspielraum geben. Die Mindeststrafe von einem Jahr und der Fahrausweisentzug von heute mindestens zwei Jahren sollen gekürzt werden.
3. Eine weitere Runde hat die Forderung nach einer Begrenzung der Kaderlöhne von bundesnahen Unternehmungen durchlaufen. Der Ständerat lehnte eine Motion von Kollege Pardini „Fr. 500’000 Franken sind genug“ ab, und verwies auf die Unterstützung beider Räte für meine parlamentarische Initiative zur Begrenzung der Löhne. Es muss sich erst noch weisen, ob das Parlament mit einem griffigen Gesetz den Lohnexzessen bei den bundesnahen Unternehmungen wirklich den Riegel schiebt.
4. Die Durchsetzung der gleichen Löhne für gleiche Arbeit wird erneut auf die lange Bank geschoben. Die Änderung des Gleichstellungsgesetzes, das grössere Unternehmen zu Lohnanalysen verpflichten soll, wurde vom Ständerat auf Antrag von CVP-Ständerat Graber an die Kommission zurückgewiesen. Wir Frauen verfolgten die Diskussion im Stöckli mehr als verärgert.
Zweite Woche: Frauentag in schwarz
5. Dem Ärger über die Macho-Kultur im Ständerat gaben wir in der Folgewoche am 8. März, dem Tag der Frau, symbolisch schwarz gekleidet Ausdruck. Wir unterstrichen unsere Forderung nach Durchsetzung des Gleichstellungsartikels in der Verfassung mit einigen persönlichen Vorstössen. Ich verlange mit einer Initiative Lohntransparenz in den Betrieben. Das ist eines der wirkungsvollsten Instrumente gegen die Lohndiskriminierung. Vielleicht auch aus schlechtem Gewissen hat der Ständerat in der dritten Woche zur Überraschung aller mit 20 zu 17 Stimmen und 1 Enthaltung einer Initiative von FDP-Ständerat Raphaël Comte Folge gegeben, die die Vertretung der Geschlechter im Bundesrat rechtlich regeln will.
6. Die Finanzbranche versucht, die Regulierung von Banken, Versicherungen und Vermögensverwaltern zehn Jahre nach der Finanzmarktkrise aufzuweichen. Dazu macht sie unanständig Druck auf die Finma und rennt im Finanzdepartement die Türen ein. Dazu wurden und werden zahlreiche Vorstösse eingereicht, die die Finma schwächen. Die SVP verlangt gar die Aufhebung der unabhängigen Aufsicht und Reintegration der Finma in die Verwaltung, womit sie auch international mit Sicherheit nicht mehr als unabhängige Aufsicht anerkannt wäre.
7. Eine Quadratur des Kreises ist die Umsetzung der Pädophilen-Initiative. Ich hatte die Initiative aufgrund des Automatismus in der Rechtsfolge abgelehnt. Das Gesetz sieht nun vor, dass wer wegen Sexualdelikten an Kindern verurteilt wurde, nie mehr mit Minderjährigen arbeiten darf. Es gibt allerdings eine Härtefallklausel, die einen Ermessensspielraum auslöst und eine Ausnahmebestimmung für Liebesbeziehungen zwischen jungen Erwachsenen und Jugendlichen. Etliche von uns haben sich in der Schlussabstimmung zum Gesetz enthalten.
8. Einen kleinen Fortschritt ist beim Verjährungsrecht zu verzeichnen. Die absolute Verjährungsfrist im Deliktsrecht mit Personenschäden soll gemäss Nationalrat von heute zehn auf 20 Jahre verlängert werden. Damit können die Rechte von Opfern mit Spätschäden besser durchgesetzt werden. Der Bundesrat hatte 30 Jahre vorgeschlagen. Die Forderungen von Asbestopfern, die für die Revision den Ausschlag gegeben hatten, werden auf eine separate Fondslösung der Arbeitgeber verwiesen. Das Geschäft geht in den Ständerat.
Dritte Woche: Olympische Winterspiele Sion 2026 vors Volk
9. Im Schnellverfahren haben die Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit beider Räte mit einer vorgezogenen Revision des allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts eine Grundlage für die Überwachung von Versicherten durchgepeitscht. Damit können Sozialversicherungen bei einem Verdacht auf Missbrauch Versicherte observieren lassen. Das gilt für alle Sozialversicherungen, also auch für Bezüger der AHV, der Hilflosen-Entschädigung oder für die soziale Krankenversicherung. Überwachungen sind ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit. Mit dem Gesetz erhalten Versicherer teilweise weitergehende Observationsbefugnisse als die Strafverfolgungsbehörden und der Nachrichtendienst. Die Überwachung kann mit Ausnahme der Standortortung ohne gerichtliche Genehmigung erfolgen. Der Anfangsverdacht ist schwammig formuliert. Die Observation kann von allgemein zugänglichen Plätzen aus auch Privaträume betreffen. Mein Rückweisungsantrag wurde abgelehnt.
10. Massive Rückschritte bringt die Revision des Gesetzes über die Ergänzungsleistungen (EL) zu IV-und AHV-Renten. Damit werden mehr als 700 Mio. Fr. eingespart. Die bürgerliche Mehrheit scheut sich nicht vor Verschlechterungen gegenüber dem geltenden Recht. Statt die seit 2001 stagnierenden Mietzinsmaxima bei der Berechnung der EL endlich der realen Zinsentwicklung angemessen anzupassen, ist die Korrektur ungenügend, und diese können in den Kantonen sogar gesenkt werden. Auch bei der Anrechnung der Krankenversicherungsprämien droht kantonale Willkür. Die Vermögensfreibeträge von EL-Bezügerinnen und -bezügern werden gesenkt. AusländerInnen von ausserhalb der EU mit weniger als 10 Beitragsjahren werden von der EL ausgeschlossen. Die anrechenbaren Kinderkosten sind tiefer. Es ist eine Revision auf dem Buckel der Schwächsten. Ohne soziale Korrekturen ist ein Referendum unausweichlich.
11. Positive Überraschungen gab es bei der Motion von Silva Semadeni, die die Beteiligung des Bundes an den Olympischen Winterspielen 2026 in Sion dem Referendum unterstellen will. Sie wurde mit 92 zu 87 Stimmen bei 7 Enthaltungen überwiesen. Mit Eloquenz, Witz und polyglott hat Silva nicht nur die fast geschlossene SP überzeugt, sondern auch 43 SVP-Mitglieder. Graubünden hat die Durchführung der Olympischen Winterspiele in jüngerer Zeit bereits zweimal abgelehnt. Jetzt ist der Ständerat am Zug.
12. Die dringliche Debatte zur Post brachte keine konkreten Resultate. Offensichtlich ist aber nach dem Postauto-Buchhaltungs-Debakel, dass der Bundesrat die segmentierte Aufsicht über den gesamten Postkonzern nicht im Griff hat. Doris Leuthard versteckte sich wortreich hinter den verschiedenen Aufsichtsinstanzen und einer offenbar nicht tauglichen Eignerinnenstrategie. Mit einer Interpellation verlange ich Klarheit. Die Linke ist gefordert, sonst könnten Privatisierungsgelüste der Bürgerlichen plötzlich Mehrheiten erhalten.
Ostern steht vor der Türe. Ich wünsche allen ein frohes Fest und verreise für zwei Wochen. Im April stehen in den Kommissionen gewichtige Geschäfte an. In der WAK ist es das Versicherungsvertragsgesetz, bei dem die Versicherungslobby bereits massiv interveniert hat. In der Rechtskommission steht das Aktienrecht mit der Integration eines indirekten Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungsinitiative zur Debatte. Die ständerätliche Wirtschaftskommission nimmt die Beratungen zur SV 17 auf. BR Maurer präsentiert Ende März 2018 die Neuauflage der versenkten USR III. Nur ein sozialer Ausgleich kann ein weiteres Referendum verhindern.