Krasse Missachtung des Volkswillens

Leserbrief in der bz vom 14. Juli 2016

Weil sich Bundesrat Alain Berset für die Harmonisierung des Fremdsprachenunterrichts einsetzt, bezeichnet ihn Peter Rothenbühler in seiner Kolumne als eidgenössischen Sprach-Vogt, der die Kantone massregeln und zwingen will, mit dem Fremdsprachenunterricht schon in der Primarschule zu beginnen. In einer anderen Regionalzeitung wird sogar behauptet, "die Sprachenfrage diene nur noch der Profilierung des Freiburger Bundesrats, der damit populistisch mit den Minderheitsgefühlen in der Romandie spiele". Diese Anwürfe sind starker Tobak!

Tatsache ist, dass heute im Bereich des schulischen Fremdsprachenunterrichts ein heilloses Durcheinander herrscht. Immer wieder wird in gewissen Kantonen auf die in der Verfassung garantierte Bildungshoheit der Kantone hingewiesen (Art. 62 BV). Ausgeblendet wird dabei, dass das Schweizer Stimmvolk und alle Kantone am 21. Mai 2006 mit 86 % JA-Stimmen eine Ergänzung der erwähnten Verfassungsbestimmung angenommen haben. Seit über 10 Jahren sind die Kantone per Bundesverfassung verpflichtet, wichtige Eckwerte unserer Schulen – und dazu gehört auch der Fremdsprachenunterricht – national einheitlich zu regeln. Auch das HarmoS-Konkordat hat bis heute keine definitive Lösung gebracht. Aus meiner Sicht muss dies als krasse Missachtung des Volkswillens betrachtet werden. Kommt auf dem Koordinationsweg keine Harmonisierung zustande, so hat der Bund die Pflicht, die notwendigen Vorschriften zu erlassen (Art. 62/4 BV). Bundesrat Berset ist also verpflichtet, endlich zu handeln. Ihn dafür zu tadeln, ist geradezu pervers. Folgende Lösung wäre verfassungsgemäss: Beginn des Fremdsprachenunterrichts in allen Deutschschweizer Kantonen auf der gleichen Schulstufe (Primarschule), und zwar mit der gleichen Fremdsprache. Also nicht in der Nordwestschweiz mit Französisch und in der Ostschweiz mit Englisch. Aus innenpolitischen Gründen sollte meiner Meinung nach mit Französisch begonnen werden. Warum dies so schwer sein soll, ist für mich unerklärlich.  

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