Der 10. Februar 1995 war für die SP Surselva ein Freudentag. Helmut Hubacher füllte den Saal im Hotel Lukmanier in Ilanz, der ersten Stadt am Rhein, bis zum letzten Platz, und das in einer CVP-Hochburg, in welcher der Kalte Krieg immer noch wütete. Passten Aussagen von Sozialdemokraten nicht, hiess es schnell einmal, wir seien doch Kommunisten. Helmut hatte sich vor seinem Auftritt in Ilanz genau über die politischen Kräfteverhältnisse im Bündner Oberland erkundigt und gab mir beim gemeinsamen Nachtessen eine Anekdote zum Besten. In Vals habe es Zeiten gegeben, wo alle ausser einer Person CVP-Parolen folgten. Im Dorf wurde spekuliert: Wer könnte wohl der Abtrünnige sein? Als der Dorfpfarrer starb, war dann die Sache klar, denn mit ihm versiegte eine Zeitlang die einzige SP-Stimme. In souveräner Manier präsentierte Helmut in Ilanz sein Buch «Tatort Bundeshaus» (Zytglogge), das für mich zur politischen Bibel wurde. Heikle Themen, Politmechanismen und Parteien werden darin unter anderem nicht nur angesprochen, sondern gründlich unter die Lupe genommen. Tatort Bundeshaus hört mit markigen Worten nach Hubacherschen Manier auf und hat an Aktualität kaum eingebüsst: «Wir brauchen neue Antworten. Parteien, die mit beredten Leerformeln aufwarten und sich damit trösten, dass, wer im Seichten badet, wenigstens nicht ertrinken kann, haben ihre Zukunft hinter sich. Es wird in den nächsten Jahren verdammt mühsam werden, ein glaubhafter Politiker zu sein und eine glaubwürdige Politik zu machen. Es wird nichts nützen, die Uhr in den Fluss zu werfen. Die Zeit läuft trotzdem weiter.» Fast zehn Jahre später zog unsere Familie nach Laufen. Näher beim Politfuchs Helmut wohnen zu dürfen, löste bei mir ein gutes Gefühl aus. Der SP-Doyen pendelte häufig zwischen seinen beiden Wohnorten Courtemaîche und Basel und machte nicht selten in Laufen einen Zwischenhalt. Unser Kontakt wurde häufiger. Helmut und seine Frau Gret lobten das Stedtli, das Ambiente gefalle ihnen, meinten die beiden wiederholt. Im Jahre 2015, am Ende meiner Zeit als Stadtrat, wollte ich dem national bekannten Politiker eine Freude bereiten und organisierte spontan eine Privatführung durchs Stadthaus. Im ehrwürdigen barocken Roggenbachsaal dirigierte ich den Helmut zum Stadtpräsidentensessel mit den Worten: «So, jetzt bist du für einen Augenblick Stadtpräsident von Laufen und ich schiesse ein Foto.» Später, nachdem er das Motiv per Post als Andenken erhalten hatte, schrieb er mir: «Ich arbeite wieder mal Briefschulden auf. Diesmal habe ich eine Entschuldigung. Ich habe eine relativ schwere Rückenoperation hinter mir, es blieb lange alles liegen. Du hast mir ein Foto von unserem Besuch im Rathaus zugestellt. Ich hocke dort, als ob ich im Rathaus einund ausgehen würde. Merci.»
Linard Candreia
Landrat SP, Laufental