Über neue Lehrpläne, Didaktik-Ausrichtungen und Lehrmittel lässt sich mit Fug und Recht streiten – auch öffentlich. Alle kennen ja die Schule bestens; alle waren ja auch mal in der Schule. Aufgrund meiner eigenen Erfahrung, aufgrund vieler Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen der Primarschule, die sich in intensiven Weiterbildungen in den letzten Jahren mit den Neuerungen des Fremdsprachen-Unterrichts auseinandergesetzt haben, kann ich die Polemik um das „Passepartout“-Konzept mit zwei Fremdsprachen an der Primarschule (die ja jetzt sechs Jahre dauert!) nur bedingt nachvollziehen. Ich erkenne an unserer Schule kaum Überforderungs-Symptome von Kindern, die mit Franz und Englisch konfrontiert sind.
Selber unterrichte ich mit dem Englisch-Lehrmittel „New World“ und finde dieses gut gemacht und für die Kinder ansprechend. Meine Schülerinnen und Schüler machen erfreuliche Fortschritte im Fremdsprachen-Unterricht; wohl halt auch dank einer „Mehrsprachigkeits-Didaktik“, die das Wörtli-Lernen und die Grammatik nicht mehr ganz so hoch hängt, wie ich das noch vor 20 Jahren erlebt habe. Zugegeben, als Lehrer mit langjähriger Unterrichtserfahrung verfolge ich – wie die meisten anderen Lehrpersonen auch! – methodisch-didaktische Neuerungen mit einer „professionellen Skepsis“ und versuche schrittweise und pragmatisch das umzusetzen, was mich für den Lernerfolg meiner Schülerinnen und Schüler überzeugt. Wenn ich ehemalige Schülerinnen und Schüler oder Eltern über ihre Schul-Erfahrungen mit Französisch befrage, dann kann man ja kaum im Brustton der Überzeugung behaupten, alles was früher war, sei viel besser gewesen. Die Meinungen über das neue Französisch-Lehrmittel „Mille feuille“ sind tatsächlich auch an der Primarschule geteilt.
Doch Hand aufs Herz: Welches Lehrmittel der vergangenen 40 Jahre hat wirklich ungeteilten Zuspruch erhalten? Wir Lehrpersonen sind durchaus in der Lage, gegebene Lehrziele in einer angemessenen Unabhängigkeit von Lehrmitteln zu verfolgen und zu erreichen. Drum: Geben wir dem „Passepartout“-Konzept, neuen methodisch-didaktischen Ansätzen und z.T. auch ungewohnten Lehrmitteln eine Chance, vertrauen wir auf die fundierte Professionalität der Lehrpersonen. Aber auch: Nehmen wir die Bildungsdirektionen zu gegebener Zeit in die Pflicht, das ogenannte Konzept seriös und kritisch zu evaluieren, um wirklich gesicherte Angaben in Bezug auf eine Fortführung desselben zu erlangen.
Bis dahin aber lasst uns marschhalten – in den öffentlichen Diskussionen! Sie verunsichern Erziehungsberechtigte und Kinder unnötig. Die Primarschule verdient nun eine Periode der schrittweisen und ruhigen Umsetzung der aufgegleisten Reformen. Und die Sekundarschulen mit ihren fachlich bestens qualifizierten Lehrpersonen sind trotz „Marschhalt“ gut in der Lage, Schülerinnen und Schüler, die ab kommendem Sommer mit etwas anderem Rucksack daherkommen, erfolgreich bis zum Ende der Volksschulzeit zu begleiten.