Raumplanung gegen Einsamkeit

Zum dritten Mal luden die SP60+ und die JUSO beider Basel zu einer gemeinsamen Veranstaltung ein. Thema: Kann Raumplanung Menschen aller Generationen vor Einsamkeit bewahren?

Der Psychotherapeut und Autor Udo Rauchfleisch beschreibt Einsamkeit als die Lücke zwischen erwarteten und tatsächlich erlebten Beziehungen. Es geht nicht um das Alleinsein, sondern um die Qualität der Beziehungen. Auch in Gesellschaft kann man sich einsam fühlen.

Am Europäischen Tag der Generationensolidarität, dem 29. April, diskutierten die SP60+ und die JUSO beider Basel über Einsamkeit. Moderatorin Julie von Büren fragte die Podiumsteilnehmer:innen, ob und wie Raumplanung Beziehungen verbessern kann. Neben Udo Rauchfleisch sprachen die Psychologin Tamina Graber und der Soziologe und Stadtgeograf Ivo Balmer.

Ohnmachtsgefühle isolieren

Einsamkeit hat viele Ursachen. Sie kann aus schwierigen Lebenssituationen wie Krankheit, Armut, Trennung, dem Tod geliebter Menschen oder der Suche nach Geschlechtsidentität entstehen, erklärte Rauchfleisch. Auch soziale Entwicklungen wie fehlende Solidarität in einer anonymen Gesellschaft tragen dazu bei. Besonders während der Coronapandemie vereinsamten viele, vor allem junge Menschen. «Ohnmachtsgefühle machen einsam», so Rauchfleisch.

Tamina Graber betonte, dass viele Frauen vereinsamen. Als Mütter verbringen sie viel Zeit isoliert zu Hause und fühlen sich oft überfordert. «Alleinsein muss selbst gewählt sein, sonst macht es einsam. Es braucht Orte für ungezwungene Begegnungen.»

Rauchfleisch ergänzte, dass Einsamkeit in der queeren Community weit verbreitet ist. Diskriminierung oder die Angst, sich zu seiner Identität zu äussern, verschliessen Teile des Lebens und führen zu Einsamkeit.

Einsamkeit betrifft alle

«Lange konzentrierte man sich auf ältere Menschen, doch die Zahl der Einsamen ist unter Jugendlichen nicht geringer», sagte der Psychologe. Einsamkeit kann alle treffen, auch wenn sich die Auswirkungen je nach Alter, Geschlecht und persönlichen Voraussetzungen unterscheiden. Raum- und Städteplanung beeinflussen, ob Menschen sich einsam fühlen. Architektur kann sogar kommunikationsfeindlich sein, wenn sie den Austausch verhindert.

Ivo Balmer, Vorstandsmitglied der Genossenschaft Mietshäuser Syndikat, ist am Bauprojekt auf dem ehemaligen Coop-Zentrallager in Pratteln beteiligt. Die Siedlung bietet vom Einzelapartment über Familienwohnungen bis zum Hallenwohnen gemeinschaftliches Wohnen. Einsamkeit zu verhindern war jedoch nicht das Hauptziel.

Grenzen der Raumplanung

Balmer betonte, dass die Planer:innen ein gesellschaftliches Verständnis von Einsamkeit brauchen, bevor sie ein Modell für Gemeinschaftlichkeit wählen. Entscheidend ist, wie die Bewohner:innen die Strukturen nutzen. Nicht alles lässt sich baulich fördern. Gemeinschaft müsse von den Bewohner:innen getragen werden, meinte auch Rauchfleisch. «Im Gundeli gibt es Quartiere mit starken Beziehungen und solche, wo die Menschen sich abschotten.»

Graber wies darauf hin, dass es nichts bringt, die Bewohner:innen mit den Räumen allein zu lassen. «Man muss sie einbeziehen. Räume müssen für alle zugänglich sein, ein Café darf nicht zu teuer sein, und in einem Gemeinschaftsraum muss man nicht immer reden.» Man sollte auch zuschauen, lesen oder für sich arbeiten können.

«Ein Quartier ist nicht fertig, wenn die Schlüssel übergeben sind, das Partizipative beginnt erst danach», sagte Balmer. Es bringe nichts, alte Menschen aus ihrer gewohnten Umgebung zu entwurzeln. Wenn ihre sozialen Beziehungen zerstört sind, seien sie nirgends glücklich. Wichtiger sind konsumfreie Räume. «Gemeinschaftswohnformen waren immer eine Herausforderung und haben eine polit-ökonomische Bedeutung», so Balmer.

Eine Frage von Zeit und Geld

«Oft fehlt es uns an Zeit, das ist eine der grössten Herausforderungen», sagte der Soziologe. «Wenn ich günstig wohne, kann ich weniger arbeiten und habe mehr Zeit. Dafür brauche ich die Sicherheit, dass ich bleiben kann – wie in Genossenschaften, wo man die Wohnung je nach Lebensphase wechseln kann.»

Gute Architektur ist wichtig. Um Einsamkeit zu vermeiden, brauche es jedoch auch faire Arbeitsbedingungen, gute Kinderbetreuung und bezahlbare Wohnungen, sagte Tamina Graber. Sie plädierte dafür, Einsamkeit als Querschnittsthema zu begreifen und überall mitzudenken.

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