Wir hatten uns mit aller Kraft dagegen gewehrt. Gestern ordnete FDP-Landrat Marc Schinzel die entsprechende Landrats-Abstimmung in einem Gastkommentar in der bz ein. Er beteuert, ein Systemwechsel bei der Sozialhilfe sei nicht in seinem Sinn. Das ist ja sein gutes Recht. Ich schätze Marc Schinzel im persönlichen Umgang. In diesem Fall ist sein Verhalten aber etwas gar dreist.
Was er nicht schreibt: Er hat für die entscheidende Abstimmung über die Kürzungen den Landrats-Saal verlassen und nicht abgestimmt. Das ist durchaus pikant: Wenn er nämlich keinen radikalen Systemwechsel wollte, hätte er den Vorstoss entgegen der FDP-Meinung ablehnen müssen. Das Problem: Die Abstimmung ging äusserst knapp über die Bühne, eine Stimme mehr dagegen und wir hätten die groben Kürzungen gestoppt. Es ist enttäuschend, wenn Politikerinnen und Politiker vor Entscheidungen davonlaufen, aber dann für die Analyse des Resultats in einem Gastkommentar wieder auf der Matte stehen. Im politischen Leben sollten wir uns nicht um Entscheidungen drücken, erst recht nicht, wenn sie unangenehm sind. Dafür sind wir gewählt. Darauf darf die Bevölkerung wirklich einen Anspruch erheben.
Der Vorstoss will eben einen deutlichen Systemwechsel. Bisher konnten Sozialhilfe-Beziehende sanktioniert werden, wenn sie keine Anstrengungen unternehmen, wieder eine Arbeit zu finden. Das ist richtig. SVP und FDP wollen nun, dass alle Menschen mit Sozialhilfe unter einen Generalverdacht gestellt werden. Allen wird der Grundbedarf um einen Drittel gekürzt. Wenn sie sich ganz besonders anstrengen, erhalten sie zwar unter Umständen einen Teil des gekürzten Betrags zurück. Allerdings wird sich jede Sozialhilfebehörde anders verhalten. Es gibt also auch eine gewisse Willkür in diesen Entscheiden – je nach Wohnsitz-Gemeinde. In der Praxis geht es um eine eigentliche Kollektivstrafe für all jene Menschen, die auf die Sozialhilfe angewiesen sind.
Oft sind es alleinerziehende Väter und Mütter, die Sozialhilfe beziehen müssen. Oder es handelt sich um über 50-Jährige, die das ganze Leben gearbeitet haben, aber nun ihre Stelle verloren haben und trotz immensen Anstrengungen keine neue mehr finden. Sie sind durch diese massiven Kürzungen direkt getroffen, ohne dass sie eine Schuld trifft. In der Bundesverfassung steht zu Beginn der bekannte Teilsatz: «…dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen». Dieser Grundsatz wird mit der Kürzung des Grundbedarfs der Sozialhilfe um 30 Prozent offensiv angegriffen.
Diese rechte Politik tritt gegen unten und kuscht gegen oben. Denn diejenigen, die bei der Sozialhilfe kürzen, sind auch jene, die reiche Steuerhinterzieher mit Samthandschuhen anfassen. Wer hat, dem wird gegeben. Wer aber wenig hat, dem wird auch noch das genommen. Jetzt liegt der Vorstoss beim Regierungsrat, der diesen in ein Gesetz giessen muss. Dieses kommt dann wieder in das Parlament. Bis das so weit ist, dauert es noch eine Weile. In der Zwischenzeit wird die Bevölkerung aber an die Urne gerufen und kann diesen Unsinn bereits stoppen: Am 31. März 2019 sind kantonale Wahlen.